Katyn

Der große polnische Regisseur Andrzej Wajda (1926-2016), von dem ich schon einige Filme vorgestellt habe (Liste am Ende) drehte 2007 den Film Katyn über die Massaker an polnischen Offizieren und Intellektuellen 1940, begangen von Russen auf Befehl von Diktator Josef Stalin. Erst Michail Gorbatschow gab das im Mai 1990 zu; trotz eindeutiger Beweise hatten die sowjetischen Machthaber die Taten immer abgestritten. 

Von 3. April bis zum 11. Mai 1940 starben durch Genickschuss 25.000 Polen und wurden verscharrt. Andrzej Wajdas Film beginnt im Herbst 1939. Durch einen Pakt hatten Hitler und Stalin sich Polen aufgeteilt; das Land existierte also nicht mehr. Katyn ist ein Wald 20 Kilometer von Smolensk an der Grenze zu Weißrussland, also im Westen Russlands.

MV5BMjk3ODEzNzIwMl5BMl5BanBnXkFtZTcwMzM5Mjc1MQ@@._V1_FMjpg_UX1000_Andrzej und Jerzy sind in dem Film polnische Offiziere und werden von den Russen festgehalten. Andrzejs Frau und seine Tochter Nika können gerade noch untertauchen. (Es war beklemmend; beim Sehen bekam ich ohne Grund plötzlich Rückenschmerzen wie bei einem Hexenschuss und konnte kaum aufstehen. Nach dem Film war es dann fast vorbei — vermutlich eine psychosomatische Reaktion. Ich hatte übrigens auf Youtube eine Version erwischt, die portugiesisch synchronisiert war und auch Untertitel in dieser Sprache besaß. So konnte ich mitkriegen, was passiert. Und jetzt … finde ich diesen Film nicht mehr.) Wir können uns die Musik von Krzystof Penderecki (1933-1920) anhören, den Soundtrack. Und Jacek Kaczmarksi hat einen Song namens Katyn; klingt gut.

Die Nationalsozialisten lassen die Universität Krakau schließen und schicken das gesamte Lehrpersonal in Lager, darunter auch Andrzejs Vater. Sein Mutter wird ein Jahr später eine Urne mit dem Totenschein zugestellt bekommen: gestorben an einer Herzkrankheit im Lager Sachsenhausen. Drei Jahre vergehen, und immer noch keine Spur von Andrzej. Irgendwann kursiert dann eine Liste der in Katyn Getöteten, und Andrzej steht nicht darauf, dafür aber Jerzy. Jemand liefert aber Andrzejs Säbel ab, ein anderer hat seinen Rosenkranz gefunden. Seine Frau hofft dennoch auf ein Wunder.

Der Krieg ist vorbei, doch überall sind Russen. Das Massaker von Katyn hätten die Deutschen verübt, heißt es in dröhnenden Propagandafilmen, und wer da nicht mittut, wird festgenommen und inhaftiert, vielleicht auch in ein Lager verbracht. Stalin ließ Hunderttausende verschleppen und in der Zeit der Säuberung von 1936 bis 1938 Millionen ermorden. (Mario, ein alter Linker in den Marken, redete Anfang Januar auf mich ein und wollte mich davon überzeugen, dass Stalin »weitblickend« und »genial« gewesen sei. Das mit den Millionen Opfern wollte er freilich nicht glauben.)

Plötzlich erscheint Jerzy wieder. Er sagt Andrzejs Frau, ihrer beider Namen seien verwechselt worden … und nun, 5 Jahre nach Andrzejs Verschwinden, bleibt kaum mehr Hoffnung. Andrzej Wajda, der Regisseur, drückt das deutlich aus. Es ist ein Film mit verwischten Bildern, schnell und hart gefilmt, die Hauptpersonen gehen allesamt unter, und auch wir bleiben nicht mit viel Hoffnung zurück. Am Ende taucht ein Tagebuch von Andrzej auf, in dem er seine letzten Tage beschreibt bis zum 10. April, als er mit einem Lastwagen zu einem Ort am Waldrand gebracht wird, seine Sachen abgeben muss und stirbt.

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Wajda zeigt das, was man durch die Rekonstruktion erfuhr. Jeder wurde an den Rand der Grube geführt und in den Hinterkopf geschossen. Eine Planierraupe deckte die Tausenden Leichen zu. Deutsche Soldaten stießen 1941 auf den Schauplatz, und ihre Führung klagte die Russen öffentlich an, doch damals wusste man noch nicht, dass die Nationalsozialisten im Osten eine Million Menschen durch ihre Einsatzgruppen töten ließen, manchmal sogar (wie bei Kiew) 30.000 an einem einzigen Tag.

locandinaDiese beiden schrecklichen Ideologien — der Nationalsozialismus und der Bolschewismus — machten das 20. Jahrhundert zur blutigsten und schrecklichsten Epoche der Menschheitsgeschichte. Der Westen vergaß schnell und gab sich dem Individualismus und dem Konsum hin; Russland unterdrückte noch über 40 Jahre viele Vasallenstaaten, ohne die Schatten einer vermeintlich ruhmreichen Vergangenheit loswerden zu können.

Nach einem ersten Tauwetter unter Chrustschow und einem zweiten stärkeren unter Gorbatschow kam wieder ein Alt-Funktionär an die Spitze, und dieser Putin steht seit 25 Jahren für das alte Russland. Er ließ vor zwei Jahren ein Nachbarland überfallen und verwüsten und nahm viele tausend Opfer in Kauf. Es gibt noch russische Lager, und wer gegen den Krieg ist, kann festgenommen und enteignet werden. Da möchte man nicht hin, und nach China auch nicht.

 

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