Flugverkehr (158): Der Luftschiffer

In dem 40 Jahre alten Buch Deutsche Gedichte, das Karl Krolow einleitete, gehören von den 500 Seiten nur 5 den Dichterinnen. Nur drei hat man würdig befunden, in den Parnass der Dichtkunst aufgenommen zu werden. Eine der dreien ist Karoline von Günderrode, eine tragische Dichterin, die das Gedicht Der Luftschiffer verfasste. Der Fliger hebt ab und genießt es, muss aber zurück (wie die Nahtod-Leute). Nach 5 Monaten wieder ein Flugverkehr! 

Porträt_von_Karoline_von_Günderrode,_1797Die Günderrode wurde am 11. Februar 1780 geboren. Ist zufällig mein Geburtstag, und eine andere Dichterin kam an diesem Tag im Jahr 1869 zur Welt: Else Lasker-Schüler. Karoline von Günderrode war oft verliebt, am tiefsten in Friedrich Creuzer. Als dieser, schon verheiratet, sich von seiner Geliebten (ihr) trennte, nahm sie sich mit einem Dolch das Leben.

Den Luftschiffer in dem Gedicht zieht die Erdenschwere wieder hinunter. Jede Ekstase muss enden, kein Glück ist von Dauer. Doch wie wäre ewige Seligkeit auszuhalten? Nach dem ersten Eintauchen in das liebende weiße Licht geht es auch für diejenigen, die eine Tdeserfahrung machten, weiter. Sie erfuhren also, wie unendlich sie geliebt werden, und das konnten sie mitnehmen, das werden sie nie vergessen haben. Übrigens hat Swedenborg in Himmel und Erde uns erzählt, dass auch Engel (die früher Menschen waren) bisweilen ins Zweifeln geraten, weil sie zu sehr an ihre eigenen Sachen denken. Dann müssen sie sich aufs neue an die Seligkeit herantasten. Leben ist Bewegung.

Noch eine Anmerkung, diesmal mit Bezug auf Lennons Botschaft von gestern. Ich denke dabei auch mal wieder an Seth, den Weisen aus einer anderen Dimension, der gesagt hat, materielle Objekte seien realisierte Träume und Gedanken. Was ich für unmöglich halte, packe ich nicht an, weil’s sinnlos ist. Doch wenn etwas denkbar wird — dass der Mensch fliegen könnte —, wenn es gedacht und durchdacht wird, dann geht der Mensch an die Arbeit und … schafft es. Leider behindern uns oft unsere Vorannahmen. Wir sagen, das geht nicht und bauen uns damit eine Mauer. Bestes Beispiel ist der Bischof in Brechts Gedicht, der sagt, weil er ein Ignorant ist: ›Es wird nie ein Mensch fliegen.‹ Eine andere Welt ist möglich, haben wir gerufen, wir Linken auf unseren Rädern damals in Rom, un’altro mondo è possibile!, und wir alle könnten es heute rufen: eine Welt aus Liebe ist möglich!

Der Luftschiffer

Gefahren bin ich in schwankendem Kahne
Auf dem bläulichen Ozeane,
Der die leuchtenden Sterne umfließt,
Habe die himmlischen Mächte begrüßt,
Universum01War in ihre Betrachtung versunken,
Habe den ewigen Äther getrunken,
Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,
Droben die Schriften der Sterne erkannt
Und in ihrem Kreisen und Drehen
Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen,
Der gewaltig auch jeglichen Klang
Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang,
Aber ach! es ziehet mich hernieder,
Nebel überschleiert meinen Blick,
Und der Erde Grenzen seh ich wieder,
Wolken treiben mich zurück.
Wehe! das Gesetz der Schwere
Es behauptet nur sein Recht,
Keiner darf sich ihm entziehen
Von dem irdischen Geschlecht.

 

 

 

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