Rückkehr ins Leben (21): Gerettet durch die Liebste

Nach langer Zeit hören wir wieder von Verurteilten, die knapp dem Tod entrannen — diesmal, weil eine geliebte Frau für sie eintrat. Man möchte meinen, sie habe nun ewige Dankbarkeit verdient, aber nein! Der Seigneur de Brantôme muss in seinem Buch Das Leben der galanten Damen leider von grober Undankbarkeit sprechen. Das Buch erschien, wie wir erfuhren, erst 1665, spielt aber noch im 16. Jahrhundert.

Brantome-BourdeillePierre de Bourdeille hieß der Seigneur, und zur Welt kam er im Périgord, das ist im Süden Frankreichs, noch ein Stück dem Westen zu. Er kam bald nach Paris, galt als idealer Kriegsmann und Troubadour und reiste in der Welt umher. Die deutsche Wikipedia hat für ihn 5 Zeilen übrig; das kann man sich gleich schenken. Haben sie niemanden, der die französische Version übersetzt? Die haben 120 Zeilen. Darin steht, dass Pierre de Bourdeille viel unterwegs war, aber an keiner bedeutenden Schlacht teilnahm; er war entweder am falschen Ort oder kam zu spät. 1574, mit 34, endete seine militärische Karriere.

064Zehn Jahre später warf ihn ein weißes Pferd ab und fiel auf ihn, und zwei Jahre brauchte er, um sich davon zu erholen. (Zeit seines Lebens hatte er, der begeisterte Reiter, Angst vor weißen Pferden, die in der Literatur oft den Tod ankündigen, aber auch für spirituelle Intelliganz stehen.) Die letzten 30 Jahre seines Lebens verbrachte er in Zurückgezogenheit damit, die Geschichten aufzuschreiben, die ihm zugetragen worden waren. Der Seigneur heiratete nie und hatte auch keine Kinder, er blieb als Beobachter stets ein Zaungast. Dafür haben wir nun seine Erzählungen, und sie sind vollgestopft mit Erotik. Doch heute die drei Geschichten über Männer, die dem Tod entrannen:

 

Ich sah auch einen Edelmann, der angeklagt und vor Gericht gestellt worden war, weil er seine Pflicht, seinen General in der Schlacht zu unterstützen, sehr schlecht erfüllt hatte, so schlecht, daß er ihn ohne jeden Beistand oder Hilfe töten ließ; es war nahe daran, daß er gerichtet und zur Enthauptung verurteilt wurde, obwohl er 20000 Taler anbot, um mit dem Leben davonzukommen; da sprach seine Frau mit einem großen Herrn von da und da und schlief bei ihm mit der Erlaubnis ihres Gemahls und auf seine flehentliche Bitte hin, und was das Geld nicht hatte erreichen können, das brachten ihre Schönheit und ihr Leib zuwege; sie rettete ihm Leben und Freiheit. Seitdem behandelte er sie so schlimm, wie nichts mehr. Solch grausame und rasende Ehemänner sind gewiß sehr erbärmlich.

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Für ebenso verdammenswert erachte ich die Ehemänner, die, nachdem sie durch die Gunst ihrer Frauen das Leben genossen haben, sich so undankbar gegen sie zeigen, daß sie wegen des Verdachts, sie liebelten mit anderen, ihnen die rohste Behandlung erweisen und sogar nach dem Leben trachten. Ich hörte von einem Herrn, gegen dessen Leben eine Verschwörung angezettelt worden war; mit ihren demütigen Bitten brachte seine Frau die Verschwörer davon ab und bewahrte ihn davor, massakriert zu werden; nachher wurde sie sehr übel dafür belohnt und sehr hart behandelt.

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Ich hörte auch von einem großen Herrn, der dazu verurteilt worden war, geköpft zu werden; er stand schon auf dem Schafott, da kam seine Begnadigung, die seine Tochter, eine hohe Schönheit, erlangt hatte; als er vom Schafott herunterstieg, sagte er weiter nichts, als: »Gott segne die gute S… meiner Tochter, die mich so brav gerettet hat!« Vielleicht wollte Brantôme hier von St. Vallier reden.

 

Mit diesem ausgesparten Wort meinte der Herr vermutlich den intimsten Teil seiner Tochter. Was sagt man zu den undankbaren Herren? Konnten sie es nicht ertragen, von einer Frau vorm Tod bewahrt zu werden? Nahmen sie es ihr übel, dass sie sein Leben mittels Beischlaf gerettet hatten? Der erste hatte ja dieser Maßnahme zugestimmt. Undank ist der Welt Lohn. Manche Menschen schämen sich, abhängig gewesen zu sein und ertragen es nicht, jemandem Dank abstatten zu müssen. Doch in diesem Fall? Das muss wohl an der rätselhaften Psyche des ichsüchtigen Mannes liegen, wir kommen nicht dahinter.

 

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