Walter Becker
Nach Mark Lanegan und John Wetton nun Walter Becker: wieder ein Rockmusiker, der entsetzlich fehlt. Becker war Bassist wie Wetton und eine Hälfte von Steely Dan, einer Band, die ich genauso schätze wie King Crimson. Das ist sehr intellektuelle Rockmusik, die aber dennoch swingt und schmusig sein kann, höchst elegant, überirdisch irgendwie. Ach, Babylon Sisters, wie trickreich, wie verschnörselt, wie seidenweich!
Walter Becker kam im Stadtteil Queens in New York zur Welt. Beide Eltern starben früh, er wuchs bei den Großeltern auf und hatte eine schwere Kindheit. Als er in eine Bar an der Gitarre übte, wurde Donald Fagen auf ihn aufmerksam. 1972 gründeten die beiden mit weiteren Mitmusikern Steely Dan. Nach drei Alben und Konzerten (mit Becker am Bass) zogen sie sich ins Studio zurück. Wunderbare Werke waren dann The Royal Scam (1976) und Aja (1977). Der erste Song von Royal Scam war Kid Charlemagne, mit diesem legendären Gitarrensolo von Larry Carlton (bei dem Konzert 2003 hier ist Jon Herington an der Gitarre tätig, 2:40 bis 3:10). The Fez und Green Earrings sind auch noch extrem hörenswert.
Walter Becker verlegte sich später auf die Gitarre. 1981, nach der Platte Gaucho, lösten die beiden Steely Dan auf. (Wie wir bei John Wetton bemerkten: Um 1980 war es mit den großen Gruppen vorbei. Eine neue Phase begann.) Becker zog nach Hawaii, nahm keine Drogen mehr und betätigte sich als Produzent, Fagen spielte Soloproduktionen ein. 1993 gaben sie, wieder vereint, Konzerte (was sie immer etwas unwillig taten). Meist stand für den groove ein vierköpfiges Bläser-Ensemble mit ihnen auf der Bühne, und drei Background-Sängerinnen erfreuten Augen und Ohr. 2000 und 2003 kamen zwei neue Steely-Dan-Platten (oder CDs) auf den Markt.
Bei Wikipedia heißt es:
Der Gitarrist Dean Parks bezeichnete in der Fernsehserie »Classic Albums« den Produktionsstil des Albums Aja von Steely Dan als »one step beyond perfection«: Man arrangiert einen Titel bis zur absoluten Perfektion, um ihn dann nochmals zur Gänze von vorne einzuspielen, um es ein wenig aufzulockern (»to loosen it up a little bit«). Es kam nicht selten vor, dass Gastmusiker, auch aufgrund der oft harten Kritik von Becker und Fagen, entnervt das Studio verließen.
Fagen war immer ironisch und geistreich, litt jedoch oft unter Lampenfieber. Seinen Kompagnon Becker schilderte er als »smart as a whip«, was heißen könnte »schlagfertig und oberschlau«. Dennoch war Walter Becker eher der ruhende Pol des Duos. Es gibt einige Konzerte von Steely Dan auf Youtube, und bei denen von 2015 ist Becker noch dabei, etwas rundlich geworden, aber immer gut gelaunt. Ich habe mir ein Konzert in New Jersey angeschaut, vom 1. August 2015, und da wendet sich Becker an die Zuschauer und lobt sie: In New Jersey lebten die besten Menschen der Welt … Das ist ein Konzert, das ein Besucher in chaotischer Manier gefilmt hat. Plötzlich ist der Bildschirm schwarz, dann geht es hektisch nach links und verzittert nach rechts, doch das ist eben live und authentisch.
Walter Becker hatte Speisenröhrenkrebs und lebte nach der Diagnose nur noch 4 Monate. Am 3. September 2017 starb er, 67 Jahre alt. Donald Fagen meinte zuerst, mit ihm sei auch Steely Dan gestorben, doch die Plattenfirma überredete ihn, den alten Namen beizubehalten. Und so gibt es auch 2024 Konzerte mit Steely Dan und einem 76-jährigen Donald Fagen, desssen Stimme etwas gelitten hat.
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