Späte Versöhnung

Filme aus dem Orient können ganz schön herzzerreißend sein. Ich suche sie ja intuitiv aus, aber freilich, französische oder englische Untertitel müssen sie schon haben. 2013 wurde in Marokko von Jillali Ferhati Secrets d’Oreiller gedreht (Sarirou Al-assrar), auf Englisch Pillow Secrets und schwer ins Deutsche zu übersetzen. Die ersten Minuten ziehen dich gleich ins Geschehen hinein.

Der Regisseur Ferhati ist 1948 in Marokko geboren und hatte 1991 einmal einen Film im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig. Die Darstellerinnen sind Fatima Zahra Bennassar, Majdouline Idrissi, Raouia und Ghita Belkhadir, doch ich erwähne sie nur, weil mir ihre Namen so gefallen.

Eine junge Erzieherin, Leiterin eines Waisenhauses, wird von der Polizei abgeholt und soll eine Leiche identifizieren. Sie bricht in Tränen aus; sie kennt diese Frau, die im Gefängnis nach einer Prügelei gestorben ist.

Wir blicken zurück. Ein kleines Mädchen wächst in einem Haus in einer marokkanischen Großstadt auf. Es geht zur Schule, wird aber etwas vernachlässigt, da ihr Wohnsitz das gut funktionierende Bordell ihrer Mutter, Zahia, ist. Als Bordellchefin ist sie eine harte und schlagkräftige Frau. Immer wieder kommt dann die Polizei zu einer Razzia und hebt das Etablissement aus. Das kleine Mädchen muss bei Verwandten unterkommen. Schön gemacht ist das: Die Erzieherin schaut zuweilen sich selber als kleinem Mädchen zu und folgt ihm.

Viel geschieht, es zieht vorbei. Bis gegen Ende wir wieder einen Rückblick bekommen: Ein Säugling wurde vor dem Bordell ausgesetzt. Zahia zieht ihn auf. Dann sagt sie ihrer Tochter, woher sie kommt. Die Kleine ist verwirrt und geht weg; Zahia ruft ihr weinend hinterher: »Ich wollte dich wie meine Tochter aufziehen. Ich habe doch nur dich! Du bist alles! Bitte, komm zurück!«

Wieder steht die Erzieherin vor dem Portal des Leichenschauhauses; und dann geht sie noch einmal hinein und sagt zu dem reglosen Körper unter dem Leintuch:

Weine nicht, Mama, ich bin hier.

Späte Versöhnung. Es gilt. Alles ist vergessen.

 

Das Plakat ist von filmexport.ma, einer Seite über marokkanische Filme.

Verwandte Beiträge:

Im KriegsbordellGangubai KathiawadiStraße der Schande

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.