Rituale beim Leichenzug
Mit Prozession meinen wir natürlich den Weg des Leichnams von der Kirche zum Friedhof. Ende April konnten Fernsehzuschauer aus aller Welt die 6 Kilometer lange Prozession verfolgen, die den Sarg mit den sterblichen Überresten von Papst Franziskus zur Basilika Santa Maria Maggiore trug. Bertram S. Puckle hat in einem Buch 1926 interessante Details von Leichenzügen beschrieben.
Das Buch, das im Internet Sacred Text Archive zu lesen ist, heißt Funeral Costums, und Kapitel VI beschäftigt sich mit dem Leichenschmaus und dem Leichenzug. Diese Prozession bot immer die Gelegenheit, Pomp zur Schau zu stellen und öffentlich Trauer zu mimen. Der durchschnittliche Mann (oder Frau) trete bei der Heirat und beim Begräbnis in Erscheinung, und da gehe es hin zur Kirche oder von der Kirche weg (früher, als christliche Hochzeiten und Begräbnisse die Regel waren). Rechts ein Foto aus Puerto Rico, 1900.
Bei den alten Römern wurde der gewaschene und parfümierte Leichnam am dritten Tag zu Hause abgeholt, auf eine Bahre gelegt, und ihr folgte zunächst der Erbe, und dann kamen die anderen Trauernden, unter denen sich Musiker, Fackelträger und Lektoren befanden.
Bei den Chinesen wurde gleich hinter der Bahre ein Banner mitgeführt, das Name und Titel des Toten zeigte. Auf einem Samtkissen lagen die Orden und auch die Waffen, was weltweit so gehalten wurde. (Links ein Foto aus Peking, etwa um 1900 von H. C. White.) Im England des Mittelalters folgte der Bahre das Pferd des Verstorbenen, und jemand trug dessen Rüstung mit sich, die dann zuweilen auf den Sarg gelegt wurde.
Später kam der Leichenwagen auf, der auf Englisch mit dem Wort für Egge bezeichnet wurde. Es war ein dreirädriges Gefährt mit der Möglichkeit, Kerzen darauf anzubringen, und der Sarg wurde darauf gestellt. Im alten England waren die Straßen sehr schlecht, dass manchmal 6 Pferde nötig waren, den Leichenwagen zu ziehen. Manchmal hieß es in Verfügungen, der Tote solle in einem bestimmten Friedhof beigesetzt werden, »wenn die Witterung es gestattet«.
In Yorkshire durfte man auf direktem Weg zum Friedhof und dabei auch privates Land überqueren. Der Tote sollte nur einmal über eine Brücke transportiert werden. Die Wächter dort verlangten auch keine Maut. (Das tat dann Charon, der Fährmann. Für ihn legte man im alten Griechenland dem Toten eine Münze unter die Zunge.) Natürlich ging es langsam zu, ein Mann mit einem Kreuz ging vornweg, und der Verkehr stockte für lange Zeit, wenn der Zug lang war.
Ein interessanter Brauch war das »bumping«. Die Sargträger stießen mit dem Sarg an jede Wand der Kirche, und wenn man an einem Wegkreuz vorbeikam, ließ man den Sarg das Fundament berühren. Das war der Abschied des Verstorbenen und ein Appell an Petrus, ihm (oder ihr) die Tor zum Himmel zu öffnen. – In Irland waren die Sargträger, sollten sie an einer Kirche vorbeimüssen, gezwungen, diese drei Mal zu umrunden (vermutlich im Uhrzeigersinn, wie es bei buddhistischen Tempeln Brauch war).

Ritt auf den Friedhof mit Katafalk, USA, 1927, Harris & Ewing, Dank wie immer an die Library of Congress, Washington D. C.
Besser gestellte Verstorbene durften im Sarg in einer Kutsche reisen, die vorzugsweise schwarz war. Viele Kutschen im Leichenzug sagten etwas über dem Status der Familie aus. Wer nicht reich war, borgte sich die Kutsche des Dorfarztes. Im ländlichen Britannien legte man den Sarg auf den Wagen, in dem sonst Getreide transportiert wurde. Weidenzweige neigten sich auf den Sarg (sie symbolisierten die Auferstehung), und gezogen wurde das Gefährt von Ochsen. Der Priester folgte auf dem Pferd. Als der Poet William Morris bestattet wurde, kam er in einem gelben Wagen mit roten Rädern zum Friedhof.
Und am Ende des Kapitels erwähnt Bertram Puckle noch, dass der Beerdigungsunternehmer eine Art Standarte trug wie damals die römischen Zeremonienmeister. Damit ging es zum Friedhof.
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