Die Welt ist Klang
Eine Reihe zum Pendeln und Rutengehen habe ich geplant und deshalb angehört, was der Experte Rory Duff Luisa sagte. Etwas möchte ich hervorheben, weil es, glaube ich, bislang untergegangen ist. »Was ist wichtiger als das Licht?« fragte Rory. Antwort: »Der Klang.« Vibrationen führten zum Licht, und Licht verwandelte sich zu Materie (das dann morgen).
Das Johannes-Evangelium beginnt ja so:
Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.
Im Anfang war es bei Gott.
Allers ist durch das Wort geworden, / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
Und wir erinnern uns an den Beginn der Bibel, Genesis 1,1-4:
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. … Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war.
Rory Duff hat recht! Und auch Joachim-Ernst Berendt mit seinem Buch Nada Brahma: Die Welt ist Klang.
Das Wort ist zunächst nichts Geschriebenes, sondern eine Reihung von Lauten. Im Griechischen der Bibel war es der logos, der mehr ist als nur ein Wort. Darunter versteht man auch Inhalt, Bedeutung, Sinn. Ich deute auf etwas und spreche dessen Namen aus, nachdem ich ihn gedacht habe. Existieren heißt, gedacht zu werden, sagte Jean Charon. Bringe ich die Wörter in einen Zusammenhang, habe ich mehr als ihre Existenz; es scheint sich ein Sein zu zeigen. Und in diesem Kontext erscheint dann auch der Sinn, der mehr ist als das Sein.
Heutzutage wird achtlos geredet, und die Sprache wird als grobes Instrument verwendet, um einen Punkt zu machen, um etwas rüberzubringen. Die technokratische Gesellschaft vergisst dabei das Spiel und die Schönheit, weil sie immer zielgerichtet vorgeht. Doch eine andere Sprache ist möglich.
Maurice Merleau-Ponty meinte in seinem Buch Le visible et l’invisible (Das Sichtbare und das Unsichtbare, 1965), der Philosoph solle das Schweigen beherzigen. Und wenn er spricht, solle sein Ziel eine »Sprache der Koinzidenz sein, eine Art und Weise, die Dinge selbst sprechen zu lassen«. Dazu muss der Urheber sich zurücknehmen und schauen, was in ihn einfließt, was durch ihn fließt. Die wahre Heldin eines wahren Romans ist die Sprache; es ist alles erfunden, es gibt keinen fixen Bezugspunkt. Zwar kommt, wenn man alles rauslässt, auch viel Mist aufs Tablett wie beim Automatischen Schreiben der Surrealisten, aber Perlen können auch dabeisein wie in der Poesie.
Zum Abschluss noch zwei Zitate über die Poesie.
Joseph Brodski:
Das Abweisen des Überflüssigen ist per se der Geburtsschrei der Poesie — der Klang gewinnt die Oberhand über die Wirklichkeit, das Wesen über die Existenz.
Vito Acconci:
Die Poesie ist ein Versuch, die Sprache zu durchdringen und einen Zustand vor der Sprache (pre-language) zu erreichen — sie ist ein Schrei, ein Stocken, ein Kreischen.
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