Harragas, gescheitert
Harragas nennen sie im Maghreb die Bürger, die abhauen, und das tun sie meist mit dem Schiff. 2016 hat der bekannte algerische Regisseur Merzak Allouache, der kürzlich 80 geworden ist, einen Film über sie gedreht, der auch so heißt: Harragas. Neun junge Männer und eine Frau haben viel Geld bezahlt, um mit einem Motorboot hinübergefahren zu werden nach Spanien. Dort soll ihr neues Leben beginnen.
Den Film kann man auf Youtube sehen, mit französischen Untertiteln. Rachid sitzt mit seinem besten Freund Omar in Mostaganem fest. Während Omar aufgibt, wartet Rachid, wartet und wartet. Das Meer muss ruhig sein für das Unternehmen.
Über die Stadt heißt es im Internet: »Entdecken Sie einen neuen Urlaubs-Hotspot in Mostaganem, einer lebhaften algerischen Hafenstadt mit historischen Sehenswürdigkeiten und weichen Stränden …« Die Algerier indes, die dort am Meer leben, wollen zu 90 Prozent weg von hier. Keine Perspektiven, keine Arbeit, was hilft einem da das blaue Meer und der »Urlaubs-Hotspot«?
Dieses Land sei ein Gefängnis, sagt einer. Junge Männer zahlen viel an einen gewissenlosen Schlepper, der ein Boot verspricht, wenn die See ruhig ist.
Sie sind zu zehnt, steigen ein und fahren los. Ein guter Motor. Sie streiten sich, verfahren sich, und ein paar schwimmen das restliche Stück. Wir wollen nichts verraten, aber es geht natürlich nicht gut aus, doch die meisten überleben. Vielleicht starten sie einen neuen Versuch. Aber erst muss man das nötige Geld zusammenkratzen. Rachid sagt zum Schluss:
Das ist das Leben. Drecksleben. Ich wünsche es niemandem.
Der Film sei, lesen wir am Ende, den Menschen gewidmet, die von 1988 bis 2009 bei ihrem Versuch starben, Europa zu erreichen. Die Seite von statista hat säuberlich mit Balken aufgelistet, wieviele von 2014 bis heute ertranken, ein etwas pietätloses Stück Arbeit. 30.000 waren es, und seit 1984, also in 40 Jahren, werden etwa 50.000 Menschen gestorben sein auf dem Weg in ein neues Leben und eine neue Welt.
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