Leben im Pyrozän
James Bradley sprach in seinem Essay The Blazing World für die Sydney Review of Books über das Feuer. Leben wir bereits im Pyrozän? Stephen J. Pyne hat diese neue ökologische Epoche erfunden, und nach den Monsterbränden im Dezember und Januar bei Malibu, Pacific Palisades und Hollywood, dem »Palisade Fire«, klingt das ungeheuer aktuell. Bradley hat aber mehr zu bieten: Wir sollen das Feuer neu sehen lernen.
In den vergangenen 45 Jahren ist die Temperatur der Arktis auf das Vierfache des globalen Durchschnitts gestiegen, in Kanada auf das Doppelte. Auch in Australien ist das so. Die »schwarzen Sommer« 2019 und 2020 sorgten auf dem fünften Kontinent für 15.000 Brände, denen 25 Millionen Hektar zum Opfer fielen. Dadurch wurde das Eineinhalbfache des jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes Australiens in die Luft gepumpt.
Weltweit hat sich die Anzahl der extrem gefährlichen Feuersbrünste verdoppelt. Ende 2023 waren Griechenland. Spanien, Portugal, Bolivien, Nordafrika und Sibirien betroffen, im Januar 2024 Kolumbien, Ekuador, Venezuela und später Chile.
Im Jahr 2015 nannte Stephen J. Pyne diese Epoche das Pyrozän. Er nannte drei Phasen. Die erste regierte, seit vor 500 Millionen Jahren die Pflanzen begannen, das Land zu kolonisieren. Die zweite Phase fing an, als der Mensch lernte, Feuer zu erzeugen. Funde aus Kenia sagen uns, dass der Mensch vor eineinhalb Millionen Jahren bereits Feuer machte, und erste Hinweise aufs Kochen stammen aus Israel und sind 800.000 Jahre bis zu einer Million Jahre alt. Gekochte Nahrung ist besser verdaulich, und die Ernährung ist weniger zeitraubend. Durch das Feuer kann man auch am späten Abend noch herumsitzen, und so schliefen die Menschen länger und wurden gesünder.
Die Pyramiden von Gizeh und Cheops sind nur 4000 Jahre alt. In der Pyramide schwingt das griechische Wort pyro mit, das Feuer bedeutet. Als »Feuer im Inneren« wurde es gedeutet; das Feuer konzentriere sich an der Spitze und trete aus. Pyramiden konzentrieren die Energie und schenken manchmal Heilung.
James Bradley zitiert den Historiker Bill Gammage, der schrieb, das Feuer sei ein enger Verbündeter der Ureinwohner gewesen, ein Totem. Mit Präzision und Weitblick gingen die »Aborigines« mit dem Feuer um. In einem anderen Erdteil jedoch machten sich Staaten auf, andere zu erobern und Sklaven zu nehmen. Sie erfanden die Dampfmaschine. So begann die dritte Phase. Der Planet wurde in Mitleidenschaft gezogen. Es gab einen Bruch. Das Feuer wurde aus den Städten verbannt, doch andere Regionen litten darunter. Die Nacht konnte zum Tag gemacht werden, neue Industrien entstanden.
Das Pynesche Wort Pyrozän enthalte metaphorisches Gewicht, meint Bradley und führt aus:
Feuer hat seine eigene Sprache, ein hypnotisierendes Vokabular aus Schnelligkeit und Risiko, Metamorphose und Zerstörung. … Feuer ist zwar eher eine Reaktion als ein lebendiges Ding, aber Pyne meint, es habe Merkmale des Lebens, es speise sich nicht nur aus Biomasse, sondern wachse und reproduziere sich. Wie jene andere Art des Beinahe-Lebens, das Virus, ist es abhängig von Leben und entwickelt und verändert sich an und mit ihm, pflanzt sich durch Ansteckung fort, überspringt Barrieren und infiziert und entzündet sich an anderen brennbaren Stoffen. Es ist kein Wunder, dass diejenigen, die das Feuer in der Landschaft erlebten, es als einen Agenten benannten, als etwas Bösartiges, als ein Monster oder einen Dämon.
John Vaillant bemerkte in seinem Buch Fire Weather (2023), Brände erfänden sich selbst und überlegte weiter:
Feuer hat weder Herz noch Seele und auch kein Bewusstsein für den Schaden, den es anrichtet … Es konzentriert sich darauf, sich zu erhalten und so weit wie möglich auszubreiten. Damit entspricht das Feuer den nicht klar benannten Prioritäten der meisten kommerziellen Industriezweige, der führenden Kreise und der Aktieninhaber sowie im weiteren Sinn dem Kolonialismus.
Wasser existiere auf vielen Planeten, schreibt Bradley, doch nach unserem Wissensstand gebe es Feuer nur auf einem: der Erde. Der unkontrollierte Verbrauch fossiler Brennstoffe werde weiter die Temperatur erhöhen und viele und noch schlimmere Feuersbrünste auslösen. Wir dürften indessen das Feuer nicht als Feind betrachten, sondern als Element im Lebenszyklus des Planeten. Wir haben das Feuer in seiner Natur verändert, wodurch nun andere Plätze brennen als früher. James Bradley schließt seinen Essay mit den Worten:
… wenn wir nicht lernen können, unsere Beziehung zur elementaren Natur des Feuers neu zu bestimmen, wird es uns verzehren.
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