Flugverkehr (66): Nachtflug nach Khartum

Ich las wieder Sir Laurens van der Post: Venture to the Interior über eine Reise 1949 zu einer Expedition nach Südafrika. Da muss man erst hinkommen. Es ging ein Flug von London Heathrow zunächst nach Khartum mit Stopover in Castel Benito. Nächste Landung Nairobi. (Hab ich auch einmal gemacht, 1984, mit Zwischenhalt in Kairo).

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Seine Prosa ist immer flüssig und mit tiefen Einsichten gestärkt. Ich übersetze:

Ich bin viele Male in der Nacht geflogen. Aber ich habe mich nie recht an jenen ersten Augenblick in der Dunkelheit gewöhnen können, wenn man mit gefalteten Händen dasitzt, allein, und mit einem Tempo durch die Luft fliegt, das man nicht spüren und sich auch nicht angemessen vorstellen kann. Die Nacht blickt stetig zu, hat ihre Füße auf der Erde weit unten und den Kopf in den Sternen. Es ist ein feierlicher Moment; Gefühle, die du seit deiner Kindheit nicht mehr gefühlt hast und Gedanken, die du seither nicht mehr gedacht hast, kommen zurück zu dir. Du hast dann den Eindruck, als wärest du wirklich auf einer Reise in der ganzen Bedeutung des Wortes; nicht nur ein Transfer des Körpers von einem Punkt zu einem anderen Punkt, aber eine Reise, die sich durch alle denkbaren Dimensionen von Raum und Zeit bewegt und darüber hinaus. Denn eine Reise zu einem Ziel, wo immer das liegen mag, ist auch eine Reise in einem selbst; so etwa, wie sogar ein Zyklon mit sich das Zentrum nimmt, in dem er letztlich zur Ruhe kommen muss. In diesen Momenten denke ich nicht nur an die Orte, an denen ich gewesen bin, sondern auch an die Entfernungen, die ich innerhalb meiner selbst ohne Freund oder Schiff zurückgelegt habe; und an den langen Weg, der noch vor mir liegt, bis ich innerhalb meiner heimkomme und auch innerhalb der Reise. Und immer, wenn die Vorhänge gehoben werden, ist draußen die Nacht, die stetig und andauernd hereinblickt, mit dem Licht der Sterne in der weiten Ferne.

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Nach Castel Benito wurde es sehr dunkel.

Eine Weile bildeten die Lichter der Stadt ein hübsches Muster auf der Erde hinter uns ab, aber sie verschwanden schnell. Bald gab es nirgendwo unten noch eine Konzentration von Lidhtern. Hier und da kam das Aufblitzen eines Feuers, ein gedämpftes Glühen auf uns, aber die Zwischenräume zwischen einem Glühen und dem nächsten verlängerten sich rasch. Als sich die Augen an die Nacht gewöhnt hatten, wurden sie sich plötzlich der Tatsache bewusst, dass da unten nichts als Wüste war. Zuerst war man überrascht, weil man vergessen hatte, wie stark der Druck ist, den die Sahara auf die Stadt und das sie umgebende Land ausübt. Ein lange Zeit war nichts als die Wüste und die Dunkelheit. Doch plötzlich erschien eine neue Art Licht, nicht ein elektrisches, sondern ein Feuer aus Flamme und lebender Wärme. Es war unmissverständlich, und Vorstellungskraft und Erfahrung umgaben es augenblicklich mit Kamelen, schwarzen Zelten und Beduinen. Der Anblick heiterte mich auf und erwärmte mich. Nach einer Weile tauchte ein weiteres und dann noch eines auf, und dann wurde es endlich völlig und absolut dunkel, und sogar jenes schwache Bewusstsein derWüste unter uns verblasste langsam.

Weitere Beiträge zu Laurens van der Post:
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