Archiv der Kategorie 'Literatur'

Eine sonderbare Wirtszeche

Samstag, den 5. November 2022

Am 17. April 1805 soll sich in einem Wirtshaus Segringen (bei Dinkelsbühl in Bayern) eine lustigen Geschichte zugetragen haben, die uns Johann Peter Hebel (1760-1826) unter dem obigen Titel erzählte. Die 6000 Jahre — damals immer noch das vermutete Alter der Erde — tauchen auf, und so weitet sich ungeahnt der Blick, trotz des profanen Motivs, […]

Arrebatadamente

Dienstag, den 25. Oktober 2022

Wir wollen heute ein Liebesgedicht von Blas de Otero (Tú, que hieres) drannehmen, das ich immer irgendwie im Hinterkopf hatte. Dieses erste Wort arrebatadamente, das ungestüm oder glühend bedeutet und vier Mal in den 14 Zeilen des Gedichts vorkommt! Da steckt mörderisches Drängen drin, der Schrei nach der Geliebten, und man könnte Angst vor einer […]

Was weißt du von mir?

Samstag, den 15. Oktober 2022

Manche armen Bücher stehen jahrelang, stumm leidend, im Regal deiner Bibliothek, bis du dich wieder an sie erinnerst. Nach vielen Jahren nahm ich wieder das Libro de las alucinaciones (2000) des spanischen Dichters José Hierro zur Hand. In der Einleitung fand ich eine Erörterung des Ichs des Autors, verfasst von seinem Kollegen Dionisios Cañas. 

Unsere Blogs

Freitag, den 14. Oktober 2022

Gelegentlich schaue ich auf die Liste mit den meistgelesenen Blogs von Bloggerei. Man kann vier große Themen erkennen: Hunde, Internet, essen und reisen, Mode und Freizeit. Diese Blogs sind alle professionell gemacht: Es sind viele Bilder drauf, da ist viel Platz zwischen den Zeilen, Cookies verwenden sie fast alle, und viele lassen sich sponsern. Unser […]

Jona, der Kleinbürger

Mittwoch, den 12. Oktober 2022

Bei amerikanischen Kabbalisten las ich, Job und Jona im Alten Testament seien Geschichten von Tod und Wiedergeburt. Sie lesen Geschichten gern im übertragenen Sinn. Job war mir zu lange, aber die Geschichte von Jona dem Ungehorsamen, den der Fisch verschlang, verleibte ich mir ein und kam zu dem Schluss: Jonas lernt nichts; er ist einer […]

5 kurze Gedichte

Freitag, den 16. September 2022

Ich habe etwas für kurze Gedichte übrig; auch, weil sie sich schnell abschreiben und schnell lesen lassen. Wir denken ja unausgesetzt; aber ist ein Satz, den ich niederschreibe, schon ein Gedicht? Ich finde, ein Gedicht liegt vor, wenn es »artig« (Goethe; da steckt auch art drin, die Kunst) klingt und sich zwischen den Zeilen eine […]

Die zwei Seiten der Medaille

Freitag, den 9. September 2022

Borges ist fantastisch. Seine Erzählungen sind mit mathematischer Präzision und gleichzeitig mit Feuer geschrieben, und am Ende gibt es eine Überraschung, bei der sich ein Abgrund auftut. Ich versuche, ein bestimmtes Motiv herauszuarbeiten, das Borges dankenswerterweise selbst erläutert hat. Es geht um die von Giordano Bruno geäußerte Erkenntnis, dass sich die Extreme berühren.

Minnedienst

Samstag, den 20. August 2022

Dr. Sonne sprach also, wie Musil schrieb. Darum muss es heute ein Auszug aus dem Mann ohne Eigenschaften sein, womit die Hauptfigur Ulrich gemeint ist, rational denkender Mensch wie Musil selbst, dem die Liebe aber nicht fremd ist.

Die weise Sonne

Freitag, den 19. August 2022

»Ihr Sonnenlosen!« klagte Atahuallpa in der Novelle von Jakob Wassermann, auf den mich Elias Canetti gebracht hatte (und wundersamerweise fand ich gleich danach das Reclam-Bändchen mit der Gold-Erzählung), der in Wien einen Weisen kannte: Dr. Sonne.

Das Gold

Donnerstag, den 18. August 2022

Jakob Wassermann (1873-1934) war in den 1920-er Jahren ein vielgelesener Autor in Deutschland. 1933, als die Nationalsozialisten Bücher verbrannten, ächteten sie auch den Juden Wassermann und seine Werke. Gebrochen und verarmt starb er bald danach in Österreich. In der Erzählung Das Gold von Caxamalca (1928) deutet Wassermann die kommende Katastrophe an.